lesson learned Tansania

Reifenpanne in Tansania

Reifenwechsel in Deutschland (Wechsel des Reifens auf der Felge) ist eigentlich ne schnelle saubere Sache von wenigen Minuten. Etwas anders läuft das zum Teil noch in Tansania.

Mitten auf einer Schotterpiste am Kilimandscharo hatten wir plötzlich einen Platten. Also angehalten (die Autos hinter uns müssten warten, der Weg war nicht bereit genug zum überholen) und den Ersatzreifen (es gab zwei) montiert. Soweit ging das alles schnell und auch nicht anderes als in Deutschland.
In der nächsten Stadt haben wir dann an einer groß und modern aussehenden Tankstelle angehalten. Modern war aber nur die Optik. Gearbeitet wurde aber noch sehr einfach. Keine Maschinen sondern nur eine dünne ca. 1 m lange, flache Eisenstange als Hilfsmittel. Geht auch. Mit dagegen treten und auf den Reifen hüpfen bekommt man diesen auch von der Felge. Den neuen Reifen bekommt man auf dieselbe Art auch wieder drauf. Eigentlich wie beim Fahrradreifen wechslen. Nur halt mit einer Brechstange anstelle des kleinen Plastikhebels aus der Fahrradtasche. Und dauert halt etwas länger. Vor allem wenn drei zuschauen und nur einer arbeitet.

Unser kaputter Reifen war aber noch ziemlich neu mit sehr guten Profil. Also sollte er geflickt werden. Ich dachte, dass dies wie beim Fahrradreifen mit einer Art Pflaster funktioniert. Doch damit lag ich falsch. Etwas, das aussah wie ein Kaugummi, würde von außen mit einem Schraubendreher in das Loch gestopft und hing vorne noch halb raus.
Um meinen kritischen Blick und Fragen, ob das wirklich halten würde, zu besänftigen wurde noch einmal mit Wasser getestet. Und siehe da, noch immer Luftblasen. Ein triumpfierendes Lächeln lag auf meinen Lippen. Der arbeitende Mechaniker fluchte etwas, die drei Zuschauer verzogen keine Miene, sie blieben weiter anteilslos.
Es musste der “Kaugummi” wieder herausgepopelt werden. Danach lief unser Mechaniker über die Straße zu einer Art Tante Emma Laden und holte noch eine neue Packung “Kaugummi”. Mit der Motivation eines genervten stopfte er mit Hilfe eines Schraubendrehers ein besonders großes Stück “Kaugummi” in das Loch um es nun endgültig zu stopfen.
Diesmal musste ich nichts sagen. Es wurde auch so noch ein Wassertest durchgeführt. Ich hab mich daraufhin doch geschlagen gegeben. Der Test ergab keine neuen Luftblasen. Der Kaugummi scheint zu halten.

Ein paar Tage und unfreundliche, staubige Straßen später haben wir wieder einen Platten. Mitten im Nationalpark. Der Kaugummi hat nicht gehalten. Ich bemerke, wie sich eine zufriedenes “ich hab es doch gewusst” Lächeln innerlich in mir breit macht. Nach außen zeigte ich natürlich meine Besorgnis und Mitgefühl.
Schnell ist wieder der Ersatzreifen aufgezogen und wir können weiter.

Nach dem Nationalpark auf den Weg Richtung Serengeti halten wir wieder bei einer Werkstatt an. Unser Guide meint er kenne diese und sie sei sehr vertrauenswürdig und machen gute Arbeit. “Nagut”, denke ich mir, “besser ist das.” Die Anfahrt auf eine Garage hinter einem staubigen dreckigen Platz überrascht mich dann doch wieder. So habe ich mir eine vertrauenswürdige Werkstatt nicht vorgestellt. Die sehr jung wirkende Belegschaft in ihren viel zu großen Kitteln und die “Gang” die am Vorplatz rumlungern, helfen nicht den ersten Eindruck zu verbessern.
Unser Guide hingegen erklärt sofort einem der Jungs unser Problem, und welche Stümper sich bereits daran versucht hatten. Daraufhin macht dieser sich gleich an die Arbeit. Und diese überzeugt mich nun auch. Anstelle des Miniatur Wagenhebers , der eher für Lego Autos und nicht für 2 T schweren Geländewagen gemacht wurde und durch Steine aufgestützt werden musste um überhaupt vom Boden bis zum Unterboden zu reichen, wie bei der ersten großen Werkstatt, kam hier nun ein solide wirkender, dem Fahrzeug angemessen wirkender Wagenheber zum Einsatz. Auch der Reifen wurde mit einer tadellosen Maschine, wie ich sie aus Deutschland gewohnt bin, von der Felge gelöste. Nagut der zugehörige Kompressor bzw. Motor hatte ein eher fraglichen Ursprung und Zustand und spieh dunkle, stark stinkende Rauchwolken aus, die im Auge brannten. Aber man kann halt nicht alles haben🤷‍♂. Seine Arbeit vollrichteten sowohl die Maschinen als auch die Mechaniker vorbildlich und zielstrebig.

Auch zur Gang am Vorplatz wurde ich aufgeklärt. Es handelte sich um eine Art Tagelöhner. Die Arbeitsmarkt Situation war nie besonders gut in dieser Region. Und seit Covid 19 kommen deutlich weniger Autos vorbei. Das führt natürlich zu einer noch deutlich angespannteren Situation für die Leute vor Ort. So sitzen sie also herum und hoffen, dass wenn mal etwas mehr Autos auf einmal kommen vielleicht etwas Arbeit für sie anfällt. Und die laute Musik aus überforderten kleinen Lautsprechern ist eine Art Lebensgefühl hier. Tatsächlich ist dies an fast jeder Ecke und bei vielen Verkaufsständen zu beobachten. Das gehört halt einfach dazu.

Das Loch wurde zwar wieder mit diesem Kaugummi Zeugs geflickt, diesmal aber sauber von innen an das Loch abgelegt und nicht von außen mit einem Schraubendreher reingepopelt. Das lass ich mir eingehen, dass das halten kann. Und es hat uns auch sicher durch die kommenden Parkes und über die (unfreundlichen) Straßen gebracht.

Was waren nun also hier die Lessons learned?

  • Der Schein kann trügen: Gute Arbeit wird nicht unbedingt in sauberen Werkstätten macht. -> wo gehobelt wird fällt auch Späne
  • Andere Länder andere Sitten: was auf mich auf den ersten Blick abschreckend gewirkt hatte, hat am Ende eine ganz einfache und eher traurige Begründung. Vorurteile und Vorverurteilungen sind ein schaden für unser unser Miteinander und sollten unbedingt beleuchtet werden, wenn immer es uns auffällt gerade in die Falle getreten zu sein.
  • Es geht auch einfach(er): viele unserer modernen Maschinen machen uns das Leben einfacher und Arbeitsschritte schneller. Doch verlernen wir dabei auch die Grundlagen und die zugrunde liegenden Arbeitsschritte. Schade. Ich fand es sehr interessant zu sehen, wie Reifenwechseln auch ohne Maschinen funktioniert.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *